HURRA,
HURRA!

20 Jahre lang haben wir nichts mehr vom Pumuckl gehört. Nun hat die Münchner Produktionsfirma für RTL eine neue Serie realisiert. Nach der Premiere beim Kinderfilmfest 2023 und der Herausbringung der ersten drei Episoden im Kino startet die Serie am 11. Dezember 2023 bei RTL+.
Von Chris Schinke

Zu dem unerklärlichen Treiben in seiner geerbten Schreinerwerkstatt fällt Florian Eder, gespielt vom Schauspieler Florian Brückner, nur ein Satz ein: „Ja, so ein Wahnsinn.“ Der Wahnsinn, der sich hier klar erkennbar auch vor den Zuschaueraugen abspielt, ist bei genauer Betrachtung ein rechter Schabernack, inszeniert von einem etwa Bierflaschengroßen, notorischen Frechdachs, der bei seinen Streichen am liebsten unsichtbar bleibt, und der doch in mancher Notlage Gestalt annimmt und sichtbar wird.

Koboldfans werden sicher längst erkannt haben, von wem hier die Rede ist. Natürlich vom berühmten, kleinen Klabautermann Pumuckl. Allerdings ist das erneute Sichtbarwerden dieses höchst liebenswerten Plagegeists auf den TV-Bildschirmen der Gegenwart alles andere als eine Selbstverständ­lichkeit.

Erstmals erschienen war der Kobold Pumuckl seinem Meister Eder, legendär verkörpert vom bayerischen Volksschauspieler Gustl Bayrhammer, als er im Jahr 1982 in dessen Schreinerwerkstatt an einem Leimtopf festklebte und fortan – so schreibt es laut dem Pumuckl das Koboldgesetz fest – bei ihm bleiben musste. 52 Episoden lang spielten sich Meister Eder und sein Pumuckl so in die Herzen des kleinen und auch des großen Publikums. Der alte Eder im ruppigen Charme eines alleinstehenden Münchner Grantlers. Der Pumuckl als aufmüpfiger, rothaariger Revoluzzer, der das Leben seines neuen Herrn gehörig auf den Kopf stellt.

Bis zum Jahr 1988 währte das Fernsehglück dieses Traumduos, das seinen Weg auf die Geräte von Millionen von TV-Zuschauern fand.

Bis zum Jahr 1988 währte das Fernsehglück dieses Traumduos, das seinen Weg auf die Geräte von Millionen von TV-Zuschauern fand. Kaum jemand, der seine Kindheit in den 80ern oder 90ern verbrachte, kennt ihn nicht, den Hurra-schreienden „Kobold mit dem roten Haar“. Seine Geschichten haben sich beinahe in so etwas wie das kollektive Fernseh­gedächtnis der Zuschauer eingebrannt. Natürlich lag es bei all dem Erfolg nahe, die Geschichten vom Pumuckl, erdacht von der Kinder­buchautorin Ellis Kaut, auf verschiedene Weisen fortzusetzen.

Unter anderem im Kinofilm Pumuckl und der blaue Klabauter (1994) sowie in der daran knüpfenden TV-Serie Pumuckls Abenteuer (1999). Die Neuerzählungen des Kobolds krankten an einem Grundproblem, dass nach dem Tod von Gustl Bayrhammer 1994 dem Pumuckl sein entsprechend großformatiges Gegenüber abhanden­kam nämlich, eine Leerstelle, die selbst der ansonsten allseits fantastische Towje Kleiner nicht zu füllen vermoch­te. Es fehlte den etwas lieblos pro­duzierten Folgen aber auch grund­legend am Charme und vor allem auch an der Detailversessenheit seiner Vorgänger. Beim Publikum floppten sie. Genauso wie ein weiteres Sequel im Jahr 2003, das klassischen Look des Pumuckls abwandelte und verniedlichte. Auch verlieh der für seine Voiceperformance berühmt gewordene Hans Clarin dem Kobold nicht länger seine Stimme. Um den Pumuckl wurde es in der Folge sehr still – 20 lange Jahre.

Der Filmproduzent Korbinian Dufter und sein Team der Produktionsfirma Neuesuper wagen nun aber den Restart. Die 13 Folgen der ab Dezember bei RTL+ laufenden Serie Neue Geschichten vom Pumuckl knüpfen da an, wo die Zuschauer­liebe 1988 zwangsläufig ihr Ende nahm. Zwar ist der Meister Eder längst gestorben. An bekannter Wirkungs­stätte findet der Pumuckl aber ein neues altes Zuhause, das nun von einem Nachkommen des alten Eder bewirt–schaftet wird, seinem Neffen Florian. Der will von der alten Schreiner­werkstatt seines Onkels eigentlich nichts wissen. Das Immobilienerbe soll nach einem ausgiebigen Erbstreit gewinnbringend veräußert werden. Der Deal steht im Grunde auch schon. Doch am Tag des Verkaufs macht der Eder Flori eine schicksalhafte Begegnung, die bei Zuschauern für ausgiebige Nostalgiegefühle und einigen Wiedererkennungswert sorgen dürfte.

Produzent und Drehbuchautor Korbinian Dufter berichtet im Ge­spräch von schlaflosen Nächten, die ihn geplagt hätten, seit er das Pumuckl-Projekt im Jahr 2019 an Land zog. Die hohe Zuschauererwartung, die Angst etwas falsch machen zu können. Sein erster Impuls war daher, auf keinen Fall eine Fortsetzung drehen zu wollen, der Pumuckl sollte besser bleiben, was er ist und wo er ist – in der Vergangenheit. Doch als klar wurde, dass die Rechte an der Verfilmung frei würden, entschloss sich die Neuesuper, ihren Hut bei der Vergabe in den Ring zu werfen. Bevor jemand das Projekt übernehmen würde, dem das Thema fremd war, wollte Dufter als bekennender Pumuckl-Fan die Arbeit an einer Fortsetzung lieber selbst übernehmen. Eines stand für Dufter und sein Drehbuchautoren-Team bestehend aus Matthias Pacht, Moritz Binder und Katharina Köster dabei von vornherein fest. Die Magie der Originalepisoden aus den 80ern musste unbedingt wiederauferstehen. Die Geschichte musste zurück zu ihren Ursprüngen, hinein in die Schreinerwerkstatt, wo alles am rechten Platz sein würde. Die Werkzeuge vom Eder, das Pumuckl­bettchen, die Schiffsschaukel, das Holzpferd auf der Werk­bank. Der Traum einer vollendeten Pumuckl-Fanfantasie sollte im Laufe der Produktion Wirklichkeit werden. Die Werkstatt, gelegen im einmaligen Ambiente eines Münchner Hinter­hauses wurde die Neuen Geschichten vom Pumuckl exakt nachgebaut. Als Außenkulisse und auch im minutiös nachempfundenen Innern der Schreinerei. Was dabei entstanden ist, beschreibt die Co-Autorin Katharina Köster folgendermaßen: „Es war ein toller Moment, in diesem Set zu stehen. Obwohl wir uns mittendrin befanden, konnte keiner von uns glauben, dass es nicht echt ist. Der Anfangs-Blick durch den Innenhof auf die Werkstatt ist in jeder Folge der alten Serie der Moment, wo sich ein Zuhause-Gefühl einstellt. Das wollten wir für unsere Staffel unbedingt bewahren: Pumuckl ist sowas wie Nachhause-Kommen.“

Ein ganz ähnliches Gefühl stellt sich beim Zuschauer im Moment der Rückkehr an die altbewährte Pumuckl-Wirkstätte ein.

Die charmante Patina des Eder-Betriebs ist dabei von den Set­designern und dem Kulissenbauern ebenso exakt reproduziert worden, wie das Aussehen des Pumuckl durch die künstlerische Abteilung. In der Neuverfilmung ist es kein digital wiederauferstandener 3D-Kobold, der nun sein Unwesen treibt, sondern eine liebevolle, aufs kleinste Detail dem Original nachempfundene, analoge 2D-Gestalt. Für die Animationen sorgte dabei das Ludwigsburger Studio Soi. Es inszenierte den Pumuckl, wie das Publikum seinen Lieblingskobold seit jeher kennt. Und nicht nur sieht der Pumuckl aus, wie wir ihn alle kennen und lieben gelernt haben.

Er hört sich in seiner 2023-Version auch exakt so an, wie ihn der Darsteller Hans Clarin in charismatisch-krakeliger Stimmlage einst entwarf. Zwar starb Clarin bereits im Jahr 2005. Für die Neuen Geschichten vom Pumuckl wurde sein berühmter Stimmentwurf mittels KI-Technologie neu belebt. Die Stimm-Syntheti­sierung funktioniert aber nicht im technologischen Alleingang. Der Kabarettist und Schauspieler Maxi Schafroth sorgte bei Proben, am Set und im Studio für die notwendige Verkörperung. Wie sein Regisseur Marcus Rosenmüller, mit dem Schafroth bereits 2011 und 2012 zusammenarbeitete, hat der gebürtige Memminger offenbar ebenso Pumuckl-DNA im Blut. Das beweist er in seiner beherzten Performance, die sämtliche Kobold-Gefühlszustände – von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt – umfasst. KI, in Diskussionen häufig verschrien als kalte, den menschlichen Kreativfaktor bedrohende Technologie, erweist sich in der Produktion der Neuesuper als emotionaler Glücksgriff, der die begeisterten Zuschauer bei der Premiere der ersten neuen Pumuckl­folgen auf dem Münchner Filmfest und im Kino abholte. Denn der authen­tische Kobold-Sound weckt unmittel­bar das Gefühl der 80er-Jahre-Episoden, in denen der Pumuckl quietschfidel seine Neigung zum Reimen kultiger Strophen auslebte. Um es mit dem Protagonisten selbst zu sagen: „Vernunft, Vernunft hat keine Unterkunft in der großen Kobolds­zunft.“ Oder die schlichte Essenz: „Was sich reimt, ist gut.“ Zuschauerinnen und Zuschauern wird bei der Ausstrahlung der Episoden bei RTL+ ein Zweikanalton zur Verfügung stehen. Auf der einen Tonspur der Schafroth-Pumuckl im Original. Auf der anderen der KI-Kobold.

Produzent Dufter und sein Autorenteam waren sich bewusst, dass es ein entscheidender Faktor für einen erfolgreichen Neustart des Pumuckl sein würde, die sprachliche Finesse der alten Episoden zu erreichen. Laut Drehbuchautor Moritz Binder, galt ihr während des Schreibprozesses besonderes Augenmerk: „Pumuckl als Gegenpol zum wortkargen Meister Eder zeichnet sich durch seine Fähigkeit zum Sprachspiel aus, auch durch seinen Wortreichtum. Er wirkt manchmal wie ein kleiner, anarchischer Anwalt, der jedes Wort auf die Goldwaage legt und auseinander­nimmt.“ Als Gegenpol zum quirligen Pumuckl wirkt abermals der Meister Eder, jedoch in Form von Florian Brückner diesmal in einer deutlich jüngeren Variante. In der Auftakt­episode arbeitet er noch als Angestellter in einem Baumarkt, wo er mit seinem Chef aneinanderrasselt. Das Familienerbe seines verstorbenen Onkels zu übernehmen, bedeutet für den begabten Handwerker in seinen Vierzigern auch eine Form von Aussteigertum hinein in ein selbst­bestimmtes Lebensmodell. In der Schreinerei Eder tickt die Zeit eben deutlich langsamer als in der Welt dort draußen. Auf die Frage Florian Eders, was der Pumuckl hier die letzten 30 Jahre gemacht habe, erwidert der Winzling: „Koboldarbeit!“

Es gehört zu den großen Stärken der neuen Episoden, für den Pumuckl auch ein Stück Trauerarbeit zu inszenieren. In der berührenden Episode Der alte Eder heißt es für den Pumuckl wie auch für uns Zuschauer symbolisch Abschied nehmen. Bei einem Friedhofbesuch versucht Florian dem kleinen Gefährten beizubringen, was es heißt, sterben zu müssen. Vom Tod hat der Pumuckl bisher kein wirkliches Konzept. Als Zuschauer sind wir dabei, wie er in einer anrührenden Szene eines entwickelt. Unsere Seele sei unsichtbar, bemerkt Eder, worauf der Pumuckl erwidert: „Wie ich manchmal.“ Zufriedengeben mag der Kobold mit den Erklärungen seines neuen Freundes jedoch nicht so recht. „Am liebsten hätte ich, dass er wieder­kommt“, gemeint ist der alte Eder, „und sagt: Kreuzbirnbaum und Holler­stauden, und dabei so schaut.“ An das Gschau des alten Gustl Bayerhammer erinnern wir Zuschauer uns natürlich genau. Vor allem an den Moment, indem es vom Ärger über den Pumuckl und seine allzu groben Faxen umkippte, in stets versöhnliche Zuneigung zu seinem kleinen Weggefährten.

Es ist diese liebevolle Anschauung und empathische Weltbetrachtung, von der auch die 13 Episoden von Korbinian Dufters Produktion beseelt sind.

Jede einzelne ist eine abgeschlossene Geschichte für sich. Auch mit diesem im Streamingzeitalter eigentlich unzeitgemäßen Erzählprinzip bewahren die Neuen Geschichten vom Pumuckl den Geist der Originalserie. In den Worten Dufters: „Die Zeit hat sich verändert, die Welt und unsere Sehgewohnheiten. Aber die Welt vom Pumuckl ist dieselbe geblieben.“ Was nicht heißt, dass die moderne Welt keinen Einzug in die Folgen der RTL-Produktion finden würde. Beim Schreiben und Drehen war es ein konstanter Abwägungsprozess. „Wo bleiben wir dem Alten treu, wo passen wir uns an?“, so Dufter. Wenn er sich während der Arbeit am Pumuckl bei einer Sache einmal nicht sicher war, so schildert es der Produzent, ging er in sich und fragte: „Wie würde es der achtjährige Korbinian sehen? Würde er sich das gerne anschauen? Wenn das nicht zutraf, wusste ich, irgendetwas stimmt nicht. Das war aber nicht nur bei mir so. Am Set wurden wir alle wieder zu Kindern. Der Rosi, der Maxi, Florian Brückner, jedes Teammitglied, die Szenenbildner und Cutter, egal aus welchem Gewerk. Wir alle wurden wieder zu Kindern, und das im positiven Sinne.“

Zuschauerinnen und Zuschauer können sich von den Neuen Geschichten vom Pumuckl ab dem 11. Dezember auf RTL+ ein Bild machen. Die 13 entschleunigten und erzählerisch höchst konzentrierten Folgen lassen eine notwendige Atempause in unseren tumultartigen Zeiten zu. Nostalgisch wie charmant und doch mit gelungenem Zugriff auf die Gegenwart. Der Publikums­sehnsucht nach Mehr verlieh der Pumuckl bereits in den 80ern den passenden Ausdruck: „In meinem Bauch ist noch ein Lückerl für ein Stückerl.“ Die Kulisse der Eder­werkstatt wurde im Anschluss an die Produktion der neuen Episoden fein­säuberlich eingelagert. Wer weiß, vielleicht wird das geschichtsträchtige Pumuckl-Setting in Zukunft noch zu gebrauchen sein.

Neue Geschichten vom Pumuckl Ausstrahlungstermine:

 

Release aller 13 Folgen bei RTL+ am 11.12.2023.
Lineare Ausstrahlungen ab 25.12.2023 bei RTL und ab 31.12.2023 bei TOGGO.
Alle Folgen werden zudem in der TOGGO App und auf toggo.de verfügbar sein.

 

Herausgeber: FilmFernsehFonds Bayern GmbH – Presse und Information
Text: Chris Schinke
Redaktion: Dr. Olga Havenetidis
Digitales Storytelling und Gestaltung: Schmid/Widmaier

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